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Kirgistan

Kirgistan - Schnellere Flüsse, höhere Berge, weiteres Land …

Ein Reisebericht über eine Wildwassertour
von Mitte August bis Anfang September 2008

Filmtrailer Da stehen wir nun, um drei Uhr morgens in der Empfangshalle des Flughafens in Bishkek. Um uns herum tummeln sich zahlreiche Kirgisen und Russen, um sich ebenfalls Hab und Gut vom Gepäckband zu holen. Endlich sind wir an der Reihe! Unsere Reiseausrüstung - bestehend aus 30 Einzelstücken - fährt langsam an uns vorbei und wir greifen zu, um uns erneut wie "Maulesel" zu beladen. Wir, das sind Jochen Kirchhoff, Jan Srp, Sven Ismer, Toni Grießbach, Marco Kuhlmann, Marieke Vogt, Peter Luppa und ich (Stefan Matheja).

Wir haben gerade eine achtstündige Flugreise von Frankfurt über Istanbul bis hierher nach Kirgistan bewältigt. Etwas müde und verschwitzt begeben wir uns also hinaus in die Dunkelheit in Richtung des Flughafen-Parkplatzes um nach Sascha unserem Fahrer Ausschau zu halten. Ihn haben wir extra für diesen Trip als Fahrer engagiert. Ja, wir sind gut versorgt mit bestem Kartenmaterial aus den USA. Morgen werden wir auch unsere kirgisische Dolmetscherin kennen lernen.

Nanu, was ist denn das da drüben? Dort aus den Reihen der "Ladas" - den kirgischischen kleinen PKW´s - ragt ein stählernes Ungeheuer in den morgendlichen Himmel empor. "Wenn das nicht unser "6x6-Ural ist.". Voller Vorfreude beschleunigen wir unser Tempo, so weit dies unsere schwere Reiseausrüstung zulässt.

Das müssen sie endlich sein, die Bootsfahrer aus Deutschland! Schnell ist die Müdigkeit vergessen und ich schwinge mich aus dem riesigen Gelände-Truck, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Was schleppen die da alles mit? Unzählige Taschen, Rucksäcke und …sollen das da etwa die angekündigten "Kajaks" sein? Ich reibe mir nun doch noch mal die Augen und sehe genauer hin. Einer der Reisenden kommt mir entgegen, strahlt mich freudig an und es kommt endlich zu einer munteren und herzlichen Begrüßung zwischen der achtköpfigen Truppe und mir.

Meine Verwunderung über ihre seltsamen Boote scheint wohl - trotz der Dunkelheit - nicht zu übersehen zu sein, denn ein Mann der Gruppe verweist mit einer flinken Handbewegung auf die Kajaks, grinst und gibt mir unmissverständlich zu verstehen, dass es sich dabei wirklich um Wassersportgeräte handelt. Also meiner Meinung nach sehen die eher aus wie die bunten Plastikschüsseln auf dem Basar, nur in überdimensionierter Form. Ich muss kopfschüttelnd schmunzeln. Derartig seltsame Transportmittel sieht man schließlich nicht allzu oft hier in Bishkek!

Im Gegensatz zu Kajakfahrern kommen Trekker häufiger hierher. Ja, Kirgistan kann mit Stolz behaupten, ein Paradies für Bergsteiger zu sein. Aber wie um alles in der Welt kommt man bloß auf diese Schnaps-Idee, sich freiwillig in die reißende Fluten unserer Flüsse zu begeben? Ich bin gespannt, wie die Deutschen es anstellen wollen, da wieder heil heraus zu kommen. Scheinbar wissen sie noch nicht wirklich, was sie da erwartet. Als kleines Kind wurde mir nur allzu oft eingebläut, dass diese Flüsse sehr gefährlich und in jedem Fall zu meiden sind. Auch heute noch habe ich größten Respekt vor ihnen. Trotz des mulmigen Gefühls freue ich mich sehr auf die bevorstehenden Wochen.

Ich bin schon weit herumgekommen, habe viel von meinem Land gesehen, aber dank der Paddel-Truppe werde ich Regionen bereisen, die selbst ich noch nicht erkundet habe
....

Am nächsten Morgen um neun Uhr sitzen wir bei einem kräftigen Frühstück in unserem Hotel in Bishkek beisammen, schmieden Pläne für die nächsten aufregenden Tage, als plötzlich von Draußen das tiefe Motorengeräusch (ähnlich dem eines Panzers) an unsere Ohren dringt. Schnell ist das Frühstück beendet und wir laufen so schnell wir können hinaus.

Sascha hält vor der Unterkunft! Und er hat auch unsere Dolmetscherin Alisa mit dabei. Wieder folgt eine herzliche Begrüßung und ich stelle nach kurzer Zeit mit großem Erstaunen fest, dass sie wirklich ein astreines Deutsch spricht. Ich kann es mir nicht verkneifen und frage sofort nach, woher sie unsere Sprache so gut gelernt hätte. Zuhause, da hätte sie es sich selbst beigebracht. Aha. Ich muss schlucken und nicke ungläubig. Doch damit nicht genug. Alisa scheint ein Multi-Talent zu sein, denn es stellt sich in den nächsten Tagen außerdem heraus, dass sie zudem Englisch, Spanisch und Russisch einwandfrei beherrscht (und nebenbei studiert sie Medizin!). Ich stelle fest, wir sind in besten Händen!

Noch am selben Tag fahren wir auf den Basar, um uns mit Nahrung und dem nötigsten Equipment wie Teller, Töpfen und Toilettenpapier einzudecken.

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Ein kunterbuntes Gewirr aus fröhlichen Menschen kirgisischen oder mongolischen Ursprungs kaufen, handeln, lachen, verkaufen und unterhalten sich zwischen unzähligen Riesen-Wassermelonen, Süßigkeiten, Konservendosen, Fleisch, Fisch, Haushaltswaren und vielem mehr.

Und da sehe ich auch die knallroten und tiefblauen Schüsseln, die Sascha mit unseren Booten verglichen hat!

Unsere ersten drei Paddel-Tage beginnen wir südlich von Bishkek auf dem "Alamadin" und dem "Ala Arca". Dieses Vorhaben war allerdings auf Grund des viel zu hohen Wasserstandes und der zahlreichen (künstlichen) Hindernisse "etwas" gefährlich…

Die Reise geht weiter entlang der kasachischen Grenze bis zum "Chuy". Sein Wasserstand ist sehr hoch und auf Grund seines mittleren Schwierigkeitsgrades perfekt geeignet, um sich warm zu paddeln.

Wir durchqueren eine beeindruckende 25-Kilometer lange Schlucht, deren Felsen aus rot-sandigem Gestein besteht.

Um an dieser Stelle einmal kurz anzumerken: Dieses Land bietet trotz seiner Kargheit eine atemberaubende Landschaft und wunderschöne Szenarien. Mächtige Berge von 7500 m Höhe umsäumen weite Steppen, in denen bisweilen Wildpferde anzutreffen sind. Auch begegnet man immer wieder freundlichen Nomadenstämmen mit ihrem Vieh und ihrer typischen Behausung, den Jurten. Dazu werde ich später noch mehr erzählen. Bild unten: Lager am obersten "Chong-Kemin".

Zur Region des "Chuy" gehört auch der "Chong-Kemin" den wir in den nächsten Tagen in Angriff nehmen.

Ganze 70 Kilometer mit insgesamt acht Schluchten durchpaddeln wir auf einmal, und das bei einer Wassertemperatur von 5 Grad Celsius und im oberen Schwierigkeitsgrad. Da neben diesem Fluss praktischerweise eine Straße parallel verläuft, kann uns Sascha hier zum ersten Mal bei unserem heißen Ritt bestaunen.

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Ich kann nicht glauben, was ich da sehe! Diese Jungs in ihrer Gummikluft und den komischen Soldatenhelmen auf dem Kopf schlagen sich verdammt wacker! Unbegreiflich, wie man derartige Plastikschüsseln so kontrollieren und diesen reißenden Fluss damit bezwingen kann, alle Achtung!

Hoffentlich meint es das Schicksal ebenso gut mit ihnen und bringt sie immer wieder heil zurück!

Abends beim Essen konnte ich mir die ironische Bemerkung nicht verkneifen, dass es mir sehr wichtig wäre, sie immer wieder lebendig zurück zu bekommen, da ja sonst auch mein Geld baden ginge, worauf wir alle lachten.

Weiter geht´s zum "Issyk-Kul"-See, dem größten Binnensee Kirgistans, der mit Tiefen bis zu 700 Metern beeindruckt.

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Die Fahrt dorthin ist wieder einmal sehr anstrengend: Es geht über Stock und Stein bei einer maximalen Geschwindigkeit von unglaublichen 15 km/h! Unser 6X6-Ural besitzt keine Servolenkung und so hat Sascha wieder einmal alle Hände voll zu tun. Von einer Spazierfahrt kann keine Rede sein.

Dieser kleine zierliche aber drahtige Mann erledigt wirklich einen Knochenjob. Während der gesamten Fahrt kann man mitverfolgen, wie konzentriert das riesige Ungetüm im Schweiße seines Angesichts und mit größtem Einsatz seiner Armmuskulatur über das Gelände manövriert. Als wir ihm einmal erzählten, dass bei uns in Deutschland die Autos auf den Autobahnen Geschwindigkeiten bis weit über 220 km/h erreichen, konnte er nur mit großen Augen den Kopf schütteln.

Als wir abends gegen halb zehn endlich den "Issyk-Kul"-See erreichen - inzwischen sind alle durchgeschwitzt - stellen wir mit Überraschung fest, dass sein Wasser angenehm warm ist und stürzen uns sogleich voller Vorfreude ins angenehme Nass. Tja, wer hätte daran gedacht, dass das Wasser so verdammt salzig ist. Verdutzt müssen wir ausspucken. Klar, es handelt sich um einen Binnensee, der viele Zuflüsse aber dagegen nur einen Abfluss besitzt. Durch die Verdunstung bleibt nach und nach immer mehr Salz aus dem Meer zurück.

Am nächsten Morgen geht die Fahrt weiter, allerdings nicht so reibungslos wie erhofft.

Nur wenige Zentimeter vor dem Ortsschild Karakols, der größten Stadt Ost-Kirgistans, macht unser geliebter Ural einfach schlapp. Sascha - natürlich technisch-begabt - stellt kurzerhand fest, dass der gebrochene Kühlerventilator dafür verantwortlich sein muss.

Für einen Moment ist die gute Laune dahin, zumal es an diesem Tag wieder einmal sehr heiss ist und wir nun in der prallen Sonne herum stehen müssen. Doch glücklicherweise fährt in diesem Augenblick ein Pferdegespann an uns vorbei, das sich ebenfalls auf dem Weg in die Stadt befindet. Sascha darf netterweise mitfahren! Alisa bleibt am Auto zurück, um auf unser Hab und Gut zu achten, während wir uns dazu entschließen zu Fuß in die zwei Kilometer entfernte Innenstadt aufzubrechen.

Der Hunger treibt uns dort sogleich in ein typisch kirgisisches Restaurant. Natürlich sind die Speisenkarten alle komplett in kyrillischer Schrift gehalten, weshalb wir einfach drauflos bestellen müssen. Unsere anfänglichen Bedenken - wir könnten etwas Ungenießbares vorgesetzt bekommen - stellen sich aber schnell als unbegründet heraus, denn ein Weilchen später sitzen wir gemütlich im Schneidersitz auf dem Boden und genießen die wirklich vorzüglichen Gerichte.

Satt und zufrieden machen wir uns nach dem Essen auf zu einer Stadtbesichtigung. Als Highlights möchte ich hier nennen: eine alte orthodoxe Holzkirche, eine islamische Moschee, fehlende Gullideckel auf Straßen und Bürgersteigen und zu guter letzt einen Leichenwagen, der den Sarg einfach auf dem Dach festgeschnürt transportierte.

Als wir einige Stunden später zu unserem Truck zurückkehren ist der ölverschmierte Sascha beinahe mit der Reparatur fertig. Er hatte bereits den kaputten durch einen alten, aber intakten LKW-Kühlerventilator von der nächsten Militärstation mit harten Dollars erworben.

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In den nächsten Tagen bepaddeln wir sämtliche Flüsse rings um Karakol, wie zum Beispiel den Arashan (s. Bild oben u. rechts).

Häufig präsentieren sich die kleineren Flüsse als sehr steil, schnell und mit Hindernissen. Dafür sind die größeren Flüsse paradiesisch für Kajakfahrer.

Bild unten: In den heißen Quellen am Arashan.

Die Reise geht weiter ins bis zu 7500 m hohe Tien-Shan Gebirge (s. Bild unten) bis zum "Saryjaz". Um dorthin zu gelangen müssen wir aber zunächst einmal über einen 4000 Meter hohen Pass. Und wie es das Schicksal so will, gibt der Ural während der Hochfahrt zum zweiten Mal den Geist auf. Diesmal ist es der Kühler, auf dessen Ersatz wir zunächst zwei Tage fern ab der Zivilisation warten müssen.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Lebensart der Nomaden eingehen, die wir dort im Tien-Shan Gebirge antreffen. Zum ersten Mal haben wir direkt Kontakt zu ihnen, bewegen uns zwischen den Jurten, den traditionellen Zelten der Nomaden in West- und Zentralasien. Kleine Kinder mit teilweise Dreck verschmierten Gesichtern und triefenden Nasen lachen uns zu, rennen um uns herum und bestaunen uns von allen Seiten.

Es dauert nicht lange, da erweisen uns die Erwachsenen des Stammes ihre Gastfreundschaft und bieten jedem von uns ein Schälchen vergorener Stutenmilch an. Zögerlich nehmen wir die Gaben dankend entgegen.

Aber das Hinunterschlucken dieses - für Nomaden kostbaren, aber intensiv nach Tier riechenden Getränks - nötigt uns enorme Überwindung ab. Diese Menschen hier - das kann man deutlich sehen - sind mit sehr wenig zufrieden. Es gibt weder fließend Wasser noch Strom. Sie besitzen nur die Kleidung, die sie am Leib tragen und das Vieh (Ziegen und Schafe) gilt für sie als der einzige Reichtum.

Nun aber möchte ich von einem Highlight aus dem zentralen Tien Shan berichten: dem "Saryjaz" selbst, einem der größeren Ströme Kirgistans (siehe auch erstes Foto ganz oben). Hinter dem Pass herrscht zunächst ein Schwierigkeitsgrad von WW 2-3, dann gräbt sich dieser Fluss in eine tiefe Schlucht und erfährt anschließend eine Steigerung bis zum WW 5.

Wegen des sehr hohen Wasserstandes müssen wir vorsichtshalber den Flussverlauf in der Kernschlucht vom Dach des Urals aus einsehen und bewerten. Schnell steht fest, dass diese Stelle des Kernstücks nicht zu befahren ist, da der Strom dort enorm große rückläufige Walzen enthält, die sich über den gesamten Fluss erstrecken. Wir müssen ziemlich schlucken und sind etwas beunruhigt, da dieser Abschnitt in unserem Informationsmaterial als leicht beschrieben wurde. Worauf also konnten wir uns zukünftig verlassen und worauf nicht?

Wegen der hohen Felswände müssen wir die gefährliche Stelle weitläufig umtragen. Nach diesem Kernstück steigen wir endlich in die Schlucht ein ... und wow! Dieser Ritt beginnt rasant mit einem wuchtigen Wildwasser im oberen Schwierigkeitsbereich. Kalt, nein, saukalt ist sein Wasser und milchig noch dazu.

Bis zur nächsten Kernstelle, wo der Fluss in einer Kurve aus der Schlucht wieder austritt, verliert der "Saryjaz" nicht an Schnellligkeit und Wucht. Eigentlich steht fest, dass wir nicht um die nächste Kurve paddeln sollten, denn wir haben ja gesehen, wie gefährlich es werden kann, wenn wir uns auf die herkömmlichen Informationen verlassen. Wir scouten deshalb die Stelle vorab, können diese aber nicht einsehen. Dennoch beschließen wir, die Weiterfahrt mit hoher Konzentration zu riskieren. Und ehe wir uns in die Boote begeben verschwindet auch schon Jan. So sind wir gezwungen, ihm schnell nach zu paddeln.

Was nun folgt, lässt den Adrenalinspiegel weiter steigen: Sehr kräftige Walzen und eine Doppelstufe mit schwieriger Anfahrt erweisen sich als echte Zwangspassagen. Weitere brodelnde Stellen und nicht vorhandenen Kehrwässer lassen uns hoffen, dass wir wieder heil aus dieser Situation heraus kommen.

Zum Glück verläuft alles reibungslos. Ein Teil der Gruppe beschließt allerdings am Ende dieses Abschnitts - unmittelbar bevor der "Saryjaz" die Schlucht verlässt und Enilchek erreicht - auszusteigen und mit dem Ural weiter zu fahren.

Jan, Marco, Sven und ich wollen die Tour noch ein wenig mit unseren Booten bestreiten. So trennen wir uns für eine Weile, allerdings verläuft das Wiedersehen nicht wie geplant.

Als wir von unseren Freunden mit dem Ural empfangen werden, sind ihre Mienen ernst: "Wir müssen wieder zurück nach Enilchek!" "Wieso, das denn?", frage ich. "Wir hatten Probleme mit dem Militär. Sie verlangten nach dem Permit und stellten kurzerhand fest, dass im Truck weniger Personen saßen, als auf dem Formular aufgelistet waren. Da wurden sie skeptisch und wollten wissen, wo der Rest der Gruppe sei. Wir erklärten ihnen dann, dass sich die Mannschaft geteilt hätte und ihr weiter den Fluss hinunter paddeln würdet. Die Soldaten fanden die Sache gar nicht komisch, reagierten verärgert und meinten, dass es sich dabei um einen illegalen Grenzübertritt handelte und wir uns noch heute vollzählig am Militärposten einzufinden hätten."

So fahren wir zurück in diese verlassene Geisterstadt. Dort werden wir von - mit Gewehren - bewaffneten Soldaten in Empfang genommen. Mit gemischten Gefühlen warten wir deren Reaktion ab, als sie uns und die Pässe in einer langatmigen Prozedur und mit strengen Blicken musternd prüfen. Nach einem klärenden Wortwechsel zwischen Alisa und den Wachposten entspannt sich jedoch die Situation und wir dürfen die Reise nach längerem Ausharren fortsetzen. Alle atmen auf!

Unsere Reise geht nun weiter in Richtung Westen zum "Naryn". Wir erreichen nachmittags bei starkem Schneesturm und eisigem Wind unser Ziel, das sich auf 3000 Metern Höhe am ausgesuchten Einstiegsplatz befindet.
Dort schlagen wir fröstelnd unser Camp in der Nähe einer Brücke auf und packen im Anschluss die Boote für unseren geplanten Mehrtagestrip. Die Kajaks dürfen wir nicht allzu schwer beladen, da sie sonst sehr träge und dadurch unlenksamer werden.

Am nächsten Tag erwachen wir bei schönstem Wetter und strahlendem Sonnenschein. Unglaublich, wie schnell sich hier oben das Wetter verändern kann!

Zunächst sind wir auf leichtem WW unterwegs. Wir stellen fest: Die Kajaks sind trotz vermeintlich leichten Gepäcks (Astronautennahrung, statt Dosen!) ziemlich überfrachtet, was im Laufe des Tages bei einer Steigerung bis WW 4 ziemlich aufregend sein kann.

Wir durchqueren zwei atemberaubende Schluchten von einigen Kilometern Länge und legen in insgesamt sieben Stunden 50 km zurück.

Abends errichten wir unser Lager auf einer Sandbank, um dort die klirrend kalte Nacht in der Nähe des Feuers zu verbringen. Am Morgen paddeln wir im mittleren Schwierigkeitsbereich weiter.

Gegen Mittag erreichen wir dann eine kleine Farm am linken Flussufer. An dieser Stelle beschließen wir, uns zu trennen. Hier besteht nämlich die letzte Möglichkeit vor einer brenzligen und nicht einsehbaren Schlucht auszusteigen. Der eine Teil der Mannschaft wird diesen konstant schweren Abschnitt mit unfahrbaren Wasserfällen, Rutschen und Zwangspassagen durchpaddeln und an einigen Stellen umtragen müssen. Für die restlichen Kameraden endet hier der zweitägige Paddeltrip.

Da dieses Gebiet unmöglich mit dem Ural passierbar ist, steht ihnen noch ein stundenlanger, schweißtreibender Gewaltmarsch von 600 Höhenmetern mit den bepackten Booten bevor, ehe sie - den an einer Brücke wartenden - Sascha endlich erreichen.

An besagter Überführung fließen "Naryn" und der "Kichi-Naryn" zusammen (Bild oben: Camp am Zusammenfluss). Auf dem "Kichi-Naryn" genießen wir unseren 13ten und schönsten Paddeltag dieser beeindruckenden Reise.

Eine weitere spannende Geschichte dazu habe ich natürlich parat, aber die behalte ich jetzt für mich und sage dazu einfach: "Schneller, höher, weiter!"

Bericht: Stefan Matheja

Flussbeschreibungen

Allgemeines
Termin: Wir haben mit unserem Reisetermin von Mitte August bis Anfang September eine gute Wahl getroffen, da wir auf fast allen Flüssen optimale Pegelstände antrafen. Eine andere Gruppe, die bereits Anfang August vor Ort war, musste einige Bäche streichen, da die Wasserstände noch zu hoch waren.

Erreichbarkeit: Die meisten Flüsse sind relativ gut, wenn auch mit hohem Zeitaufwand zu erreichen, für einige ist ein geländegängiges Fahrzeug nötig (siehe Beschreibung).

Ausrüstung: Es sollten sich alle Kirgisien-Reisende darüber im klaren sein, dass im Fall der Fälle kein Hubschrauber der Bergrettung zur Verfügung steht und das viele Schluchten nur im Boot verlassen werden können. Neben der üblichen Sicherheitsausrüstung gehört unbedingt ein dreiteiliges Ersatzpaddel in jede Gruppe. Für die zahlreichen Baumverhaue auf den Bächen am Issyk-Kul See empfiehlt es sich, eine Handsäge mit zu führen. Auch sollte jede Gruppe Ersatzausrüstung dabei haben. In Kirgistan kann man keine Paddelausrüstung kaufen


Alamadin
- 3,5 km WW 4+
Von Parkstadion bis zum Beginn der Schlucht. Schnell und wuchtig.

Ala Arca - Schmal, schnell gefährlich, ab der ersten Ortschaft im Nationalpark bis Stausee, Schussfahrt ohne große Anhaltemöglichkeiten, WW 4, gespickt mit künstlichen Hindernissen, 5 km.

Chu (Boom-Schlucht) - 20-25 km WW III+
Lage, Erreichbarkeit und Befahrbarkeit:
Der Abschnitt ist leicht und schnell von Bishkek zu erreichen, da er an der Hauptstraße von Bishkek zum Issyk-Kul See gelegen ist. Dieser Abschnitt des Chu wird von einem Kraftwerk geregelt. Wir hatten Glück und trafen einen üppigen Wasserstand von etwa 50qm/s an. Bei diesem Pegel ist die Boomschlucht sehr gut zum entspannten Einfahren geeignet, bei weniger Wasserablass trotzdem oft fahrbar, dann aber meist WW II-III.

Flusscharakter:
Offenes und wuchtiges WW III+ in eindrucksvoller Schlucht. Es gibt an vielen Stellen die Möglichkeit, die Fahrt abzubrechen, da die Straße meist in der Nähe des Flusses verläuft.

Ein- und Ausstieg:
Einstieg an der "Roten Brücke" (hier überqueren sowohl die Straße als auch die Bahnschienen den Chu). Ausstieg z.B. nach der Mündung des Choung Kemin (von rechts kommend). Diese Strecke ist etwa 20 km lang. Eine Weiterfahrt bis zum Ende der hier sehr schönen Schlucht ist aber auch lohnend (dann etwa 25 km).

Choung Kemin - Mind. 50 km WW IV-V (X)
Lage und Erreichbarkeit:
Der Choung Kemin befindet sich auf der Nordseite des Issyk-Kul Sees und verläuft parallel zu dessen Ufer. Dem Vernehmen nach fließt er durch acht Schluchten, von denen aber vor allem die Schluchten Nr. 4-8 zu empfehlen sind. Nur diese wurden von uns befahren und werden hier beschrieben. Es empfiehlt sich, 2-3 Tage für diesen Teil einzuplanen. Überall im Tal gibt es wunderschöne Campmöglichkeiten.

Flusscharakter:
In seinen Schluchtabschnitten bietet der Choung Kemin traumhaftes kontinuierliches und wuchtiges Wildwasser in langen Katarakten, die des öfteren eine Besichtigung oder gar ein Umtragen erfordern. Die so genannte vierte Schlucht direkt nach dem Einstieg bietet anspruchsvolles Wildwasser, III-IV (IV), mit unübersichtlichen Stellen. Nach einer längeren Passage ohne nennenswerte Schwierigkeiten folgt die fünfte Schlucht (WW IV): Kontinuierliches Genusspaddeln ohne echte Notwendigkeit das Boot zu verlassen! Im anschließenden Flachstück passiert man das winzige Dorf Buzulgansai, danach tritt der Choung Kemin in die sechste Schlucht ein. Diese ist ein echtes Highlight mit zwei langen und anspruchsvollen Katarakten im oberen Teil (The Mine & The Mess; WW IV-V) die besichtigt werden sollten. Nach einer ruhigen Strecke in der Mitte der Schlucht nimmt der Fluss wieder Fahrt auf und bietet eine tolle ca. 3km lange Non-Stop WW IV+ Strecke. Einen Katarakt gibt es noch nach dem Schluchtausgang zu bewältigen, dann ist wieder für etwa 4-5 km Zeit die Landschaft zu genießen. Die folgende siebte Schlucht ist die schwerste des Choung Kemin. Bei unserer Befahrung musste ein längerer Katarakt (The Green) umtragen werden, der jedoch von früheren Gruppen bereits befahren wurde. Nach dieser Stelle wird der Fluss wieder leichter (WW IV-). Die achte und letzte Schlucht ist ein traumhafter Abschluss dieses tollen Flusses. Auch hier wieder lange und wuchtige aber faire Katarakte im gehobenen vierten Grad. Nach dem Ende dieser Schlucht (möglicher Ausstieg N42 46.528 E76 20.008) wird der Choung Kemin deutlich leichter, es ist aber möglich noch ca. 9km weiter zu paddeln ohne sich dabei zu langweilen (WW III; Ende bei N42 44.769 E76 07.864 auf 1592m).

Ein- und Ausstieg:
Um den Einstieg zur vierten Schlucht (N42 51.750 E76 40.673 auf 2463m) zu erreichen, muss man auf einer unbefestigten Piste (die aber kein Allradfahrzeug erfordert) das Tal hochfahren, bis sie von der (orographisch) rechten auf die linke Flussseite wechselt. Direkt hinter der Brücke überprüft der Bewohner einer Jurte das nötige Permit für das Tal. Von hier sind es noch weitere 7-8 km bis das Tal sich öffnet und eine weitere Brücke über den Choung Kemin geht. Hier ist der Einstieg der vierten Schlucht erreicht. Ausstiege nach den Schluchtabschnitten bei der Anfahrt festlegen.

Arashan
Lage und Erreichbarkeit:
In der Nähe von Karakol gelegen ist der Arashan im Grunde gut erreichbar. Allerdings ist die Piste von der Ortschaft Ak-Suu in das Tal des Arashan derartig abenteuerlich, dass es sich im Grunde empfiehlt, sich am frühen Morgen auf den Weg zu machen oder am Einstieg zu übernachten. Dort gibt es auch heiße Quellen und einen beeindruckenden Panoramablick. Wir haben für die ca. 10 km Autofahrt bis zum Einstieg etwa 2,5 Stunden mit dem Ural benötigt, ein Fahrzeug mit weniger Bodenfreiheit hätte kaum eine Chance gehabt überhaupt das Ziel zu erreichen

Flusscharakter:
Der Arashan ist ein echter Creek mit vielen steilen und technisch anspruchsvollen Katarakten, WW IV-V (V,X). Uns hat er stellenweise an die Grenzen der Belastbarkeit geführt, da eine Vielzahl von manchmal schwer zu umtragenden Baumhindernissen (eines davon kreierte eine Zwangspassage mit bissigem Rücklauf nach der Umtrage) und viele unübersichtliche Stellen, ständiges Anlanden und Besichtigen erforderten. Wir sind nur die ersten fünf Kilometer gefahren und haben etwa sechs Stunden dafür benötigt. Die untere Hälfte dürfte dann erheblich leichter sein WW IV, schnell. Man kann den unteren Abschnitt beim Hochfahren von der Straße aus besichtigen.

Ein- und Ausstieg:
Einstieg am Ende der Piste, die das Tal hinaufführt (N42 22.748 E78 35.846 auf 2426m). bei einer heißen Quelle. Hier werden auch Unterkünfte angeboten. Ausstieg in unserem Fall kurz nach einer Holzbrücke für Fußgänger, die sich etwa auf halber Strecke befindet. Oberhalb dieser Brücke verläuft der Arashan fernab der "Straße" in einer Schlucht, unterhalb, zumeist neben der Piste. Der Ausstieg für diesen unteren Abschnitt ist bei der einzigen Brücke der Straße über den Bach.

Saryjaz
Lage und Erreichbarkeit:
Um den Saryjaz zu erreichen, muss zunächst der 3822m hohe Chong Ashuu Pass auf einer Schotterpiste überquert werden. Dafür sollte man, von Karakol kommend, einen vollen Tag einplanen. Es gibt jenseits des Passes weder Einkaufsmöglichkeiten noch Tankstellen, also muss alles Benötigte mitgeführt werden. Der Tien-Shan in dieser Gegend bietet atemberaubende Landschaft und der Saryjaz ist der größte Strom der Gegend. Einzige nennenswerte Ansiedlung ist die ehemalige Minenstadt Enilchek, heute eine fast verlassene Geisterstadt, in der nur ein paar Soldaten leben, die es allerdings mit der Aufenthaltsgenehmigung für die grenznahe Region sehr genau nehmen!

Flusscharakter:
Oberer Saryjaz: Dieser Abschnitt ist vor allem landschaftlich lohnend und erst am Ende auch sportlich interessant wenn es in eine schöne Schlucht mit einigen wuchtigen Passagen geht, WW II -III+, je nach Wahl des Einstiegs 10-15 km.
Mittlerer Saryjaz: Tolles Wuchtwasser in einer spektakulären Schlucht, mit anspruchsvollem Wildwasser IV. Unbedingt sollten die beiden Schlüsselstellen (WW V) vor der Befahrung besichtigt werden. Die erste kann nicht umtragen werden (falls eine Befahrung wegen des hohen Pegels nicht möglich ist, Ausstieg mind. 500m oberhalb vorher festlegen!). Wir haben diese Stelle 1,5 km umfahren. Erkennbar ist der extrem wuchtige Katarakt an einem großen Felsriegel, der vom rechten Ufer in den Fluss ragt. Die zweite ebenfalls sehr wuchtige Stelle (Doppelstufe mit schwieriger Anfahrt, ist eine Zwangspassage welche nicht komplett zu besichtigen ist). Diese befindet sich am Ende des Abschnitts unmittelbar bevor der Saryjaz die Schlucht verlässt und Enilchek erreicht. Sie war jedoch für uns auf einer mittigen Route gut machbar. Auch hier besteht die Möglichkeit rechtzeitig auszusteigen und diese Stelle ca. 2 km zu umfahren. Länge: etwa 10km
Unterer Saryjaz: Einfacher, aber wegen der enormen Wassermenge dennoch eindrucksvoller Ritt (WW III). Weil es bereits dunkel wurde haben wir die Fahrt nach ca. 5km linksufrig an einer Stelle mit einem Weg der hier zur Straße führt abgebrochen. Hier entdeckten wir zufällig auch eine heiße Quelle! Vor der Befahrung sollte beim Militärposten in Enilchek die Formalitäten wegen des Gebietswechsels geklärt werden, auch hier ist ein Permit nötig. Es ist sicher möglich und auch lohnend noch etwas weiter zu fahren, nur sollte die Tour rechzeitig vor dem sogenannten "Killer-Canyon" beendet werden.

Ein- und Ausstieg:
Oberer Saryjaz: Vom Pass kommend muss man links abbiegen, sobald man den Saryjaz erreicht und hochfahren, soweit die Motivation und die Straße es zulässt, um einen Einstieg auszuwählen. Von der Abzweigung sind es noch ca. 10 km bis von rechts der Kerolu in der Saryjaz mündet. Hier bietet es sich an zu campen und auszusteigen.
Mittlerer Saryjaz: Am nächsten Tag direkt hier (N42 09.769 E79 05.286) wieder einbooten (oder den Kerolu (ca. 4km WW II-III; Einstieg z.B. bei N42 12.320 E79 04.000) vorher paddeln) und bis zur Geisterstadt Enilchek (N42 02.520 E79 04.924) befahren

Unterer Sary-Djaz: siehe Beschreibung.

Barskoon
Lage und Erreichbarkeit:
Der Barskoon fließt entlang einer sehr gut ausgebauten Straße von Süden in den Issyk-Kul See. Das Tal ist wunderschön und wer den Naryn befahren will, kommt ohnehin hier vorbei.

Flusscharakter:
Der Fluss ist in weiten Teilen etwas für die Liebhaber technische und gefällestarker kleiner Creeks. Wem der Barskoon gefällt, der sollte auch die zahlreichen anderen Zuflüsse des Sees befahren (wozu uns leider die Zeit fehlte). Es muss immer mit Bäumen gerechnet werden, deswegen die steilen Passagen unbedingt ablaufen, ein Anlanden ist oft kaum möglich. Wenn man vom See am Bach hochfährt, passiert man folgende Passagen:
Abschnitt zwischen Brücke 2 und 3 (Zählung ab See): WW V-VI (X?) von uns nicht befahren.
Abschnitt zwischen Brücke 3 und 4: ca. 3km sehr schönes kontinuierliches WW III-IV am besten mehrfach befahren, wenn man weiß, dass keine Bäume darin liegen, was bei uns der Fall war: "second run, twice the fun"!
Abschnitt zwischen Brücke 4 und 5: 1,5 km WW II.
Abschnitt zwischen Brücke 5 und 6: 2,5 km anspruchsvolles und steiles WW IV-V (V) das vor einer Befahrung unbedingt besichtigt werden sollte, da einige Bäume ein frühzeitiges Anlanden erfordern. Wir haben an der 4. Brücke übernachtet und sind vom Camp den Bach zum Besichtigen linksufrig hochgelaufen.
Oberhalb der fünften Brücke befindet sich noch eine weitere kurze Waldschlucht (WW III).

Ein- und Ausstieg:
Die Straße überquert immer wieder den Fluss und bietet dadurch Ein-und Ausstiegsmöglichkeiten. Wir sind unterhalb einer Steilzone mit einem von der Straße gut sichtbaren Syphon eingebootet und haben den Barskoon bis zur Brücke 3 (N42 03.032 E77 35.917) befahren.

Naryn
Lage und Erreichbarkeit:
Der obere Naryn bietet einen tollen zwei-Tage Trip, ist aber logistisch eine Herausforderung.
Um den Einstieg in der Nähe des kleines Dorfes Karakolka (in dieser Region keine Möglichkeiten zum Einkaufen oder Tanken!) zu erreichen, müssen zwei Pässe überquert werden (3623m und 4026m). Das nimmt aus dem Tal des Barskoon auf jeden Fall einen ganzen Tag in Anspruch.
Wir haben am Ende dieses Tages unser Lager etwa 15km flußab von Karakolka aufgeschlagen und dort das letzte Tageslicht genutzt, um unsere Boote mit der Ausrüstung für die zwei Paddeltage zu beladen. Um den Ausstieg am Zusammenfluss mit dem Kichi Naryn zu erreichen, haben die beiden Paddeltage unserem Fahrer kaum gereicht. Die Straße ist extrem schlecht und an manchen Stellen eigentlich zu eng für einen Ural (was uns eine seitlich angeschweißte Eisenleiter gekostet hat). Man sollte sich gut überlegen einzubooten, wenn man sich die Abschlussschlucht nicht zutraut. Vor der Schlucht kann zwar die Befahrung abgebrochen werden, aber das Raus- tragen würde vermutlich einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. Etwas oberhalb der kleinen Farm vor der Schlucht befindet sich eine weitere Farm, bei der eventuell Pferde gemietet werden können, um die Boote zu transportieren. Auch ein Entgegenkommen mit einem geländegängigen Fahrzeug ist möglich. Der Bewohner des Hauses direkt am Fluss vor dem Eingang zur Schlucht verlangt Geld für die Befahrung, er hat keine Berechtigung dafür, am besten gar nicht erst anlanden.

Flusscharakter:
Großartiges Flusserlebnis auf ca. 90km Wildwasser. Wir sind am ersten Tag etwa sieben Stunden gepaddelt um haben ca. 50 km zurückzulegen. Auf dieser Strecke gab es zwei Schluchtabschnitte von einigen Kilometern Länge (WW III-IV (IV)), ansonsten meist WW III. Wer noch keine Erfahrung mit einem beladenen Kajak hat, wird das sehr aufregend finden, da das schwere Boot im wuchtigen WW einige Gewöhnung erfordert.
Am zweiten Tag erreicht man die oben beschriebene und am linken Ufer gelegene kleine Farm (N41 28.208 E76 31.262 auf 2398m). Hier ist die einzige und letzte Möglichkeit, vor der folgenden, schweren Schlucht auszusteigen. Wer weiterfährt, erreicht nach etwa einem Kilometer eine erste wuchtige Rutsche (WW IV), etwa 200m weiter macht der Fluss einen Knick nach links. Ab hier ist größte Vorsicht geboten. Wer sich nicht sicher ist, sollte links anlanden und den Ausstieg vor einem bald folgenden Wasserfall erkunden. Der Wasserfall wurde zwar bereits befahren (WW VI), aber wir verspürten keinerlei Bedürfnis das auszuprobieren.
Man kann direkt nach dem Fall wieder einbooten, sollte aber nicht versäumen auch die anschließende S-Kurve (WW V+) zu besichtigen. Diese Stellen kann man links umtragen, 1 Std., und wegen der voll beladenen Boote und eines fehlendes Weges ziehmlich anstregend. Im Anschluss an diese S-Kurve
8, welche wir ebenfalls mit umtragen haben) kommt eine Zwangspassage (WW IV+) die man sich von oben noch ansehen kann. Danach wird es zwar etwas leichter (einige Stellen WW IV), aber die kommenden Passagen können weder besichtigt noch umtragen werden. Die nächste Stelle lässt sich links gut fahren. Psychologisch sehr anspruchsvoll, letztlich aber gut machbar. Die Schlucht ist landschaftlich und sportlich ein absolutes Highlight!

Ein- und Ausstieg:
Einstieg bei einer Brücke in der Nähe des Dorfes Karakolka oder wahlweise noch bis zu 25 km flussabwärts. (Ende der Fahrmöglichkeit, in unserem Fall bei N41 28.788 E77 12.696 auf 2951m). Ausstieg am Zusammenfluss mit dem Kichi Naryn(N41 29.757 E76 25.503 auf 2264m), hier auch gute Campingmöglichkeit, oder an der Farm und Boote lange raustragen (auf halber Strecke sich Pferde zum Transport mieten).

Kichi Naryn
Lage und Erreichbarkeit:
Wer wie wir zuvor den Naryn befährt, muss sich diese Frage nicht stellen. Andernfalls sei vor der extrem schlechten Straße gewarnt, die vom Issyk-Kul See in das Tal des oberen Kichi-Naryn führt. Eventuell ist man besser beraten von Westen, also aus Naryn kommend den Kichi von seiner Mündung aus zu erobern.

Flusscharakter:
Der "kleine" Naryn ist gar nicht so klein und führt kaum weniger Wasser als sein großer Bruder. Da er zudem ein größeres und kontinuierliches Gefälle aufweist, ist er auch sportlich anspruchsvoller als der Naryn. Der erste Teil der Schlucht ist tolles schnelles und wuchtiges WW III-IV mit einigen überraschend großen Walzen... Dann beruhigt sich der Fluss bis zur ersten Kernstelle (WW V), die man sich bereits beim Hochfahren ansehen sollte. Es handelt sich um einen langen wuchtigen Katarakt der in eine enge Stelle mit Unterspülung führt. Umtragen links problemlos, rechtzeitig ein Kehrwasser zum Aussteigen anfahren. Kurze Zeit später direkt bei der Straßenbrücke die zweite Schlüsselstelle (WW V), von der nur der Anfang sich links umtragen lässt (was die Stelle aber erheblich entschärft). Danach folgt eine großartige Schlucht, in der sich allerdings nichts mehr umtragen oder besichtigen lässt. Eine einzige Zwangspassage. Man kann sich bei der Anfahrt von der 300m höher gelegenen Straße ein ungefähres Bild machen (WW V). Bei uns lief alles gut und für die meisten war dieser Tag der Beste und Anspruchvollste der Reise! Nach der nächsten Brücke wird der Fluss wieder leichter, ca. 13km WW II-III bis zur Mündung in den Naryn.

Ein- und Ausstieg:
Einstieg oberhalb der Schlucht (N41 39.888 E76 25.758 auf 2492m), Ausstieg entweder an der Straßenbrücke (N41 35.256 E76 26.589) unterhalb der Schlucht oder an der Mündung in den Naryn (N41 29.757 E76 25.503 auf 2264m) .

Djoon Aryk
Lage und Erreichbarkeit: Der beschriebene etwa 15km lange Abschnitt befindet sich entlang der Strasse von Naryn nach Kochkorka. Im Spätsommer benötigt man etwas Glück, um einen ausreichenden Pegel vorzufinden. Wir sind hier vor allem gepaddelt, weil der Bach auf dem Rückweg lag, hatten aber durchaus unseren Spaß!

Flusscharakter:
Der Djoon-Aryk bietet (bei einem Pegel der gerade so fahrbar aussieht) technisches, phasenweise etwas steiniges Wildwasser. Wenn man unterhalb von Tyulek beim ersten von der Straße aus sichtbaren Anzeichen von Gefälle einbootet, hat man nach einer kurzen Passage WW III+ eine sehr lang Passage flaches Wasser vor sich. Nach einigen Kilometern verengt sich der Bach und tritt in die Schlucht ein. Hier gibt es dann zwei mehrere km lange Passagen zu bewältigen, die erste WW III-IV, die zweite etwas anspruchsvoller (WW IV).

Ein- und Ausstieg:
Wahlweise unterhalb von Tyolek (N41 58.563 E75 44.492) oder weiter flußab vor dem Beginn der Schwierigkeiten. Ausstieg oberhalb von Kochkorka mit vielen Möglichkeiten.

Allgemeine Informationen zum Paddeln in Kirgistan / Mittelasien

Kirgistan hat 5 Millionen Einwohner und ist in etwa 5x so groß wie die Schweiz.
Der Tien-Shan ist der Mittelpunkt eines Gebirgsgürtels und ist nicht nur das mächtigste Bergmassiv Kigirstan sondern auch der mittleren Breiten des Kontinents und nimmt 2/3 von Kirgistan ein.
Das Tien-Shan ist über 2500 km lang und damit doppelt so lang wie die Alpen. In seinem Zentrum türmt sich der Tien-Shan zu einem gewaltigen Gebirgsknoten mit dem nördlichsten Siebentausender und dem zweitgrößten Gebirgssee der Welt (elfeinhalb mal größer als der Bodensee). Er wird von 80 Flüssen gespeist.
An das Gebirge grenzen die Wüste Kyzylkum und die Wüste Gobi.

Zu der schwierigen Geographie kommt hinzu, dass der Kommunismus für den Ausbau der Infrastruktur des Landes nicht gerade hilfreich war. Für den Paddler bedeutet das, dass er beim Autofahren viel Geduld mitbringen muss, denn auch kurze Strecken können sich ziehen wie Kaugummi. Gerechnet wird nicht in km sondern in Fahrstunden!

Charakter

Gefällstarke Flüsse rund um den Issyk Kul See mit teilweise starken Baumverhauen. Keine Wasserfälle sondern schnelles Wildwasser mit nur wenigen Kehrwässern.
Große mächtige und schnelle Flüsse im zentralen Tien-Shan. Wassertemperatur und Charakter vergleichbar mit mindestens der Ötz im Hochsommer.
Die Landschaft ist sehr karg durch eine ständige Überweidung bis in höchste Höhen. Deswegen sollte das Trinken des Flusswassers vermieden werden.

Beste Zeit

August und September.

Ausrüstung

Das Spielboot kann man getrost zu Hause lassen. Bei den oft langen Paddelstrecken empfiehlt sich ein Wildwasserboot, in dem man bequem sitzt und in dem man gegebenenfalls die Ausrüstung für eine Mehrtagestour (z.B. auf dem Naryn) unterbringen kann. Eine umfangreiche Sicherheits- und Medizinausrüstung ist in den abgelegenen Gegenden unverzichtbar. Ein Satelittentelefon hatte uns gute Dienste geleistet und kann erschwinglich in Deutschland geliehen werden.
Kocher, Gas, Töpfe (eine komplette Küchenausrüstung) kann sehr preisgünstig in Bishkek auf dem Markt erworben werden.

Geld

Kirgistan ist ein sehr preisgünstiges Reiseland. Wir benötigten für 3 Wochen vor Ort pro Person 130,-€ für Lebensmittel incl. 2 Restaurantbesuchen und Küchenausrüstung. Die Währungseinheit ist SOM und der Wechselkurs von US$ in SOM für Europäer am besten. Aber auch Euro-Geldscheine kann man in Bishkek in Banken und Wechselstuben getauscht werden. Achtung alte US$ werden nicht angenommen. Die wenigen Geldautomaten in Bishkek geben auf Kreditkarten von Visa, Master und American Express Geld heraus.

Anreise

Neben dem Landweg über verschiedene Länder, die bereits eine abenteuerliche Reise darstellen dürfte, wählt der Kajakfahrer das weitaus entspanntere und schnellere Fliegen (ca. 9 Std.)
Mit dem Flugzeug von Deutschland nach Istanbul und weiter nach Bishkek/Kirgistan.
Die interessanteste Airline für Kajakfahrer, Stand 2008, ist Turkish-Airlines von Frankfurt, Hannover, Stuttgart, München, Hamburg aus. Der Preis je nach Buchungszeitpunkt ab bereits 550,-€ zu bekommen. Das wichtigste, alle Kajaks (9 an der Zahl) wurden als Sportgepäck von Turkish-Airlines nach Deklaration kostenlos befördert. Vor der Anreise muss ein Visum beantragt werden. Am besten überlässt man dieses seinem Reisebüro gegen eine geringe Gebühr oder man wendet sich direkt an die Botschaft in Berlin (www.botschaft-kirgisien.de).
Nach Eintreffen in Bishkek und anstehenden Organisationen und Einkäufen in der Hauptstadt empfiehlt sich eine Übernachtung im Crocus Guest Haus. Kontakt über Fahrzeugagentur. Pro Person 20,-€ incl. Frühstück. Die Zimmer hatten Dusche, WC, Telefon und TV. Das Haus wird privat betrieben und ist einfach, aber sehr sauber und angenehm.

Transport vor Ort

Will man in Kirgistan etwas sehen, kommt als Reisefahrzeug nur ein Geländewagen in Frage. Die Hauptstraßen lassen sich unter normalen Bedingungen mit einem gewöhnlichen Pkw bewältigen, wie es die oft schwerbepackten Kleinwagen russischer Bauart der Einheimischen beweisen. Wenn man in Kirgistan campen muß, dann wild, und solche Übernachtungsplätze abseits der Straße sind nur mit dem Geländewagen erreichbar. Ein bis an die Grenzen beladener Kleinbuss ist anfälliger für die Materialzerrüttung durch die schlechten Straßen und geht so tief in die Federn, dass von Bodenfreiheit keine Rede mehr ist. Deshalb haben wir uns, auch wegen unserer Gruppengröße schon für das größte Allradfahrzeug in Kirgistan, einem Ural 6*6 entschieden. Die Agentur (http://www.itmc.centralasia.kg/) die normalerweise mit ihrem Fahrzeug Bergsteiger in Basisstationen in das Tien-Shan bringt, hat uns zusätzlich Alisa als Dolmetscherin (30,- € pro Tag) und einen Fahrer zur Seite gestellt. Unsere Fahrzeugwahl bewies sich bei den zum Teil trailartigen Passagen im zentralen Gebirge als besonders nützlich. Dafür litt die Durschnittsgeschwindikeit. Aber so konnten wir die Schönheit des Landes besser geniessen.
Wenn man diese Option mit einer Anreise im Flugzeug verbindet, hat man ein Rundum-Sorglospaket mit sehr gutem Preis-/Leistungsverhältnis. Gefahren wurden 2500 km und so kamen wir auf pro Kopfkosten von 380,-€. Gerne empfehlen wir Fahrer und Dolmetscherin (angehende Ärztin) weiter. Sie waren eine perfekte Teamunterstützung. Die Qualität und das Alter unseres sowjetischen Klein-LKWs haben das Bastel- und Improvisationsgeschick unseres Fahrers geschult. Hier sollte auch Zeit für nicht vorhersehbare Reparaturen eingeplant werden.

Für die verschiedenen Regionen und dessen Flüsse benötigt man Permits. Diese besorgte uns die Agentur für ca. 50,-€ pro Person. Ohne diese Permits ist das Reisen zu den beschrieben Flüssen nicht möglich. Teilweise haben wir Parkgebühren an den Schlagbäumen vor Ort rund um den Issyk Kul See gezahlt. Diese Kosten waren durchaus überschaubar.

Sprache

Mit Englisch kommt man im Allgemeinen nicht sehr weit. Die Leute können eher noch Deutsch. Ansonsten ist man ohne Dolmetscher aufgeschmissen. Inländische Grenzkontrollen, Permitdiskussionen und Routenwahl wären sonst nicht lösbar gewesen.
Sich ein paar Brocken russisch anzueignen ist kein Fehler und kommt dort unten sehr gut an. Zur Kompensierung der Sprachbarrieren halfen Kugelschreiber für glückliche Gesichter bei den Kindern. Erwachsene erfreuten sich an deutschen Ansichtskarten. In Kirgistan waren wir willkommene Abwechslung.

Übernachtung

Ein großes Plus in Kirgistan ist, dass Wildzelten. Ausserhalb von Ortschaften völlig problemlos. Schnell wird man entdeckt und ein Kontakt hergestellt. Wildes Campen ist im ganzen Land durch die Nomaden verbreitet. Sie leben in traditionellen Jurten (Filzzelten). Diese werden ohne Nägel gebaut und messen einen Durchmesser von 5 m. So ein Zelt hält dann ca. 25 Jahre!
Neben den Hoteloptionen in Bishkek gibt es wenige weitere Möglichkeiten in den großen Städten.

Essen

Alles Nötige für die Selbstverpflegung einzukaufen, ist in Kirgistan kein Problem. In den Städten gibt es tolle Märkte mit frischen Sachen, und kleine Läden finden sich auch auf dem Land immer wieder. Eine Mitnahme von Kocher, Töpfen, etc. ist nicht nötig, da dieses preisgünstig erworben werden kann. Wir haben uns mit Frischwasser und Grundnahrungsmitteln in Bishkek für 2 Wochen eingedeckt und immer wieder mit frischen Lebensmitteln unterwegs ergänzt. Beliebt sind die großen und frischen fruchtigen Melonen, zu erhalten bei den Straßenhändlern.
Im Restaurant sind russische, kirgisische und chinesische Speisen beliebt und in der Regel auch sehr billig. Bei einem Preis von unter 50 Cent pro Glas Bier kann man dann auch schon mal zwei trinken...

Zu viel haben wir nicht vom traditionellen Hirtengetränk (Kymys) getrunken, vergorene Stutenmilch, die uns von den Jurtenbewohnern angeboten wurde.

Sicherheit

Mit Sicherheit schläft man unter freien Himmel ruhig. Überraschungen gehen nur von Weidetieren aus. Tagsüber ist Bishkek eine sichere Stadt. Allenfalls vor Taschendieben besonders auf den Märkten ist Vorsicht geboten. Wir hatten keinerlei Probleme. Das Verhalten von Polizei und Militär gegenüber Touristen war - gemessen an russischen Verhältnissen - entsprechend angemessen. Wir zahlten keine Schmiergelder und hatten nur längere Kontrollen aufgrund von nichtwissenden illegalen Grenzübertritten auf dem Fluss: Sary Yaz.

Impfungen

Für Kirgistan sind keine besonderen Impfungen vorgeschrieben. Eine Hebatitis A+B wird empfohlen, wie auch eine Zeckenschutzimpfung.

Klima

Starke Temperaturschwankungen von in den Niederungen Bishkek (800m) und am Issyk Kul von über 40 Grad und Frosttemperaturen mit Schneefall in dem Zentralgebirge im Tien-Shan. Somit sollte vom warmen Schlafsack und dicker Fleece-Daunenbekleidung mit Mütze und Handschuhen auch nicht die Short im Reisegepäck fehlen. Teilweise gibt es Temperaturunterschiede von 50 Grad am Tag.
Sonnenmilch nicht vergessen. Unser höchster Einstieg lag näher an der Sonne als wir dachten, auf über 3000m.

Flussführer/Literatur

Internet:
www.kayakstan.net
www.kayakussr.com
www.kajak.at

Bücher:
Reiseführer: Kirgistan entdecken, Thomas Scholl, Trescher-Reihe Reisen ISBN 3-89794-076-0

Kyrgystan, Laurence Mitchell
Bradt Travel Guides Ltd, UK
ISBN-I0 1 84162 221 4
ISBN-I3 978 1 84162 221 7

Flussführer: Rivers of an Unknown Land
A Whitewater Guide to the Former Soviet Union
Vladimir Gavrilov
ISBN 0-9677570-3-7

Bildband: Kirgistan, Judith Beyer, Hirmer Verlag
ISBN 978-3-7774-3805-4

Karte:
www.geobuch.de
bzw. russische Fliegerkarten, diese können auch vor Ort von der Agentur besorgt werden (preisgünstig)
Reise Know How

16.03.2009 bzw. 16.03.2010

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