kajaktour.de . |
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Albanien - unbekannte Paddelperle im Süden |
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Ein Reisebericht über eine Wildwassertour im April 2006 |
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Nach Griechenland hat es schon viele deutsche Paddler verschlagen. Im Nachbarland Albanien sind die wenigsten gewesen. Dabei fristet das Land im Süden Europas zu Unrecht ein Aschenputteldasein. |
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Wem auch immer ich im Bekanntenkreis kurz vor der
Abreise erzählte, dass ich in den Urlaub nach Albanien fahre, gab mir mit unmissverständlicher
Mimik zu verstehen, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe. Die allgemeine Meinung
war, dass es im wilden Süden ungemein gefährlich ist und dass das Land vom
Kommunismus so zerrüttet sein muss, dass es keine Reise wert ist. |
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. . . Ebenso kamen bei unserer achtköpfigen Truppe zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Attraktivität des Reiselandes auf, nachdem wir im Internet Fotos von einigen Flüssen gesehen hatten. |
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Die Müdigkeit der ca. 24-stündigen Anreise
über Slowenien und Kroatien hatten wir uns in zwei Tagen in der Tara-Schlucht und auf der Moraca (beide Montenegro)
weggepaddelt, so dass wir topfit zu den Grenzformalitäten antreten konnten, deren
zweitgrößtes Kuriosum darin bestand, dass man durch eine Senke mit einer
widerlichen Brühe fahren musste. Einzig mögliche Erklärung für
diese angebliche Desinfektion sind die zwei Euro, die man dafür abdrücken
muss. Größtes Kuriosum war, dass der Zollbeamte neben seinem Häuschen
im See angelte, als wir ankamen. Nachdem wir zunächst die zahlreichen Mercedesmodelle aus den 70er und 80er-Jahren bewunderten, die uns mit haarsträubenden Überholmanövern einen ersten Eindruck von albanischer Fahrkultur vermittelten, hatten wir kurz vor Shkodra unvermutet die schwierigste Befahrung des Urlaubs - und auch noch als Zwangspassage - zu bewältigen: |
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Die zehn Kilometer Schlaglochstrecke waren für sich schon ein glatter Fünfer, abgerundet durch das Fahrverhalten der anderen Verkehrsteilnehmer hatte die Sache dann ein bisschen den Charakter eines Stock Car-Rennens. |
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. . . Auf der Weiterfahrt machten wenig ansprechende Architektur und Müllberge am Straßenrand Appetit darauf, endlich an den ersten Bach zu kommen. |
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In der Hauptstadt Tirana angekommen, waren wir überrascht, wie nobel dann doch der Ausgehbezirk der Stadt ist, wo wir uns abends mit Gent Mati, Albaniens einzigem Paddler, der uns die nächsten Tage begleiten sollte, in einem Restaurant trafen. |
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Am nächsten Tag ließen wir unseren nicht geländetauglichen PKW auf einem bewachten Parkplatz zurück und machten uns mit Gents Jeep und unserem VW-Bus Richtung Süden des Landes auf. |
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Die Befahrung des Lengarices-Unterlaufs, der in den Vjosa mündet, könnte man wohlwollend mit der Floskel "Einpaddeln auf leichtem Wildwasser" versehen, um sich darüber hinwegzutrösten, dass das Verhältnis zwischen fünfstündiger Anreise und gebotener Wildwasserqualität nicht ganz gestimmt hat. |
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Am Einstieg des Lengarices |
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Egal, wir wussten, dass die Highlights noch kommen würden. Zudem verlief der Abend ja auch schon ganz lustig. |
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Ein Albaner, in dessen Hotel wir für einen Euro pro Nase im noch nicht ausgebauten Erdgeschoss übernachten durften, hatte unsere komplette Truppe auf ein bis sieben Gläser extrem leckeren Weins eingeladen. Da wir uns letztendlich gar nicht verständigen konnten, hat er dann Fernsehen geguckt, während wir in seiner Bude saßen. Die Gastfreundschaft in Albanien ist im Allgemeinen sehr groß. Mehr als ein Mal wurde uns Hilfe angeboten, und das nicht nur von Albanern, die in Deutschland wohnen oder gewohnt haben, sondern auch von Leuten, mit denen wir uns dann letztendlich mangels Sprachkenntnissen gar nicht unterhalten konnten. Was wir mit den bunten Gerätschaften auf unseren Autos vorhaben, hat viele interessiert. Die Polizei hat uns gleich mehrfach angehalten, nicht wegen irgendwelcher Vergehen, sondern nur, um sich gestikulierend über die Boote zu wundern. Die nächsten drei Tage verbrachten wir in drei Etappen auf dem Devoll, der auf 50 km Wildwasser vom Feinsten bietet. Schon am ersten Tag präsentierte er sich im Oberlauf recht wuchtig, obwohl er da noch nicht besonders breit ist, und wartete mit mehreren wildwassertechnisch interessanten Stellen auf. Was das Vergnügen dieses ersten zehn Kilometer langen Teilstücks trübte, waren die vielen Plastiktüten, die überall die Ufer säumten. |
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Der erste schwere Katarakt auf dem Devoll |
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Alter Köhlerplatz am Zusammenfluss Verba / Devoll |
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. . . . Auf dem Devoll nach dem Einstieg am zweiten Tag. |
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Am zweiten Tag unserer Befahrung des Devoll war alles perfekt. Wir hatten das große Glück, auf der Verba (s. beide Bilder unten), einem nur selten befahrbaren Zufluss, einsetzen zu können. Die kurze, wunderschöne Schluchtstrecke war ein 1a-Aperitif für das, was noch kommen sollte. |
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Der Wasserstand des nachfolgenden Devoll war satt, so dass der Fluss uns in wuchtigen Katarakten mit zum Teil giftigen Löchern alles abverlangte. Ausruhen war selten angesagt und so rauschten wir einen 4er-Rapid nach dem anderen hinunter. Die Frage, wie weit wir heute noch fahren, beantwortete Gent mit "So lange ihr noch Lust habt". Das war mal eine Ansage! Wo sonst kann man mal eben so noch mehrere anspruchsvolle Flusskilometer in immer spektakulärerer Landschaft dranhängen, wenn man noch nicht genug hat? |
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Einfahrt in die untere Devollschlucht |
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Am Ende des Kernstückes der Schlucht |
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Auf dem unteren Devoll am Ende der Schlucht |
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Fix, fertig und zufrieden fielen wir abends in unsere Zelte auf einer Wiese an einem Hang, die der Jeep am nächsten Morgen nach nächtlicher Bewässerung durch Petrus trotz Allradantrieb nur mit Mühe wieder verlassen konnte. Nach dem Frühstück schauten wir uns die
anstehende, schwierige Schluchtstrecke des Devoll von der Straße aus an. Was
wir sahen, sah einen Tick knackiger aus als obere Ötz bei Hochwasser. Da das triste
Wetter an diesem Tag nicht unbedingt zu Heldentaten anspornte, fand einer nach dem
anderen eine gute Ausrede, warum es seine Gesundheit gerade an diesem Tag nicht zuließ,
diesen Abschnitt zu befahren. Die beiden sichersten Fahrer der Truppe sind natürlich
gefahren, und gemessen an den euphorischen Lauten, die sie von sich gaben, als sie
am Ziel eintrafen, hat es auch ein bisschen Spaß gemacht. |
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. . . Nach dem Devoll war dann erst mal wieder Autofahren angesagt, was in Anbetracht der schlechten Straßen lange dauern kann. Die Zeit kann man aber prima nutzen, um sich über Land und Leute zu informieren und auch einige `kennenzulernen´. |
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Ein Mal habe ich Gent gefragt, ob es tatsächlich
so ist, dass die beiden politischen Lager des Landes sich gegenseitig so gern in die
Suppe spucken, dass sie sich bis heute nicht darauf einigen konnten, wann der albanische
Nationalfeiertag (= Ende der deutschen Besatzung 1944) sein soll. Es betätigte,
dass das so ist und deshalb in Albanien sowohl der 28. als auch der 29. November als
Nationalfeiertag gelten. Als ich sagte, dass das ja super für die Leute ist, war
ihm gar nicht klar, was ich meinte. Zwei Tage frei statt nur einem! "Ach so",
meinte er, "das ist ja egal, hier schafft doch eh keiner was". |
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. . . Die friedliche Eroberung einer militärischen Anlage durch Paddler. Das Land ist übersäht von Ein-Mann-Bunkern. |
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Da wir in unseren meist direkt am Fluss aufgeschlagenen Lagern immer auf die Sanitäreinrichtungen von Mutter Natur zurückgriffen, kam der Zwischenstopp im Backpackers Tirana, wo man mal wieder den Luxus einer Dusche genießen konnte, nicht ungelegen. Auch ein Einkauf mußte natürlich sein. |
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Nach einem kurzen Abstecher ins Nachtleben Tiranas ging es am nächsten Morgen mit einem neuen Fahrer weiter Richtung Norden. Als dieser seinen Ford Transit unter dem Gewicht von 8 Kajaks, deren Besitzern und dem dazugehörigen Gepäck in die Knie gehen sah, stand ihm schon ins Gesicht geschrieben, dass er sich die Sache anders vorgestellt hatte ... Passend zum sommerlichen Wetter an diesem Tag lud ein wunderschöner, kristallklarer Bach, der Fan i Vogel, zum Plantschen ein. Einziger Haken: Als wir endlich auf dem Wasser waren, war es 15.00 und wir hatten noch genau fünf Stunden Tageslicht. Die Fahrtstrecke sollte 20 km betragen. In der Schlucht, die im Kernstück WW 4-5 war, gab es zwei Stellen, die auf jeden Fall zu umtragen waren. |
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Einstieg am Fan i Vogel |
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Dementsprechend legten wir in den anfänglichen Kiesbankschwällen los wie die Feuerwehr. Bei Dunkelheit noch in der Schlucht zu sein, wollte jeder dringend vermeiden, nicht nur die, die das schon ein Mal in der Türkei erlebt hatten. Es entwickelte sich eine kaum zu beschreibende Eigendynamik. Bei den beiden Umtragestellen wurden die Boote in einer Kette so schnell durchgereicht, als hätten wir das für einen Auftritt bei Wetten dass... trainiert. |
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. . . . Kurz nach dem Wiedereinstieg nach einer der unfahrbaren Stellen. |
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Am Ende hatten wir die 20 km in nur drei Stunden geschafft. Absoluter Höhepunkt unserer Reise war der Kir. Dessen kristallklares Wasser hat sich den Weg durch schneeweißes Grundgestein gebahnt und einen Kajakertraum mit Drop-Pool-Charakter in grandioser Landschaft geschaffen. Es erinnert alles ein bisschen an die Verzasca. Ähnlich wie dort ist auch die Verteilung der Schwierigkeiten. Es geht moderat mit WW 3-4 los und steigert sich dann bis WW5. |
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Hängebrücke am obersten Einstieg des Kir |
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Camp direkt neben dem Fluss nahe der Straße |
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. . . . Der Kir, ein Traum von Fluss! |
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Im unteren Abschnitt muss man mehrere Abfälle besichtigen. Zu befahren sind sie aber fast alle. Der Druck, nicht zu versagen, war riesengroß, denn die Zahl der schaulustigen Kinder am Ufer, die bei einem Badegang sicher nicht mit höhnischem Applaus gespart hätten, entsprach der Größe mehrerer Schulklassen. Um genau solche handelte es sich auch, und eigentlich hatten sie gerade Unterricht. Bei einem so weitreichenden Ereignis wie der Durchfahrt von Kajakern war das aber natürlich zweitrangig, da kamen sie alle zum Fluss gerannt. |
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Am 2. Tag nach dem Camp auf dem unteren Kir (Bild oben u. unten) |
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Als nächstes Leckerli stand die Valbona auf dem Programm.
Man munkelt, dass auch das ein absoluter Traumbach ist. Wir können weiter munkeln,
denn wir haben ihn nie zu sehen bekommen. Unser Fahrer hatte genug von unserem stinkenden
Neopren und davon, bei nicht gerade kuscheligen Temperaturen in seinem Auto zu übernachten,
und hat einfach behauptet, es ginge nicht mehr weiter, der Wagen sei kaputt. Womit
er nicht ganz unrecht hatte, nur war die Karre schon vor der Abfahrt nicht gerade TÜV-kompatibel
gewesen und 2 Tage später in exakt dem gleichen Zustand. So kamen wir eher zufällig in den Genuss der
Zrmanja in Kroatien, die allen als ein Highlight in guter Erinnerung bleiben wird.
Nachdem wir stundenlang durch im Krieg zerstörte, verlassene Dörfer gefahren
waren, wirkte der Kanu-Wegweiser mitten im Nichts schon reichlich kurios. Die Zermanja
ist auf der Raftstrecke fast durchgehend Zahmwasser. Das Besondere ist zum einen ein
spektakulärer 15-Meter-Wasserfall über die gesamte Flussbreite. Solch ein
Naturschauspiel ganz für sich alleine zu haben, war schon ein tolles Erlebnis.
Es wurden selbstverständlich einige Befahrungsrouten diskutiert, die aber keiner
so ganz dringend in die Praxis umsetzen wollte. |
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Bericht und alle nachfolgenden Informationen: Stefan Matheja Übrigens: Wenn ihr Interesse an einem Diavortrag
zu Wildwasser in Albanien in eurem Verein oder Kajakshop etc. habt, ist Stefan gerne
bereit zu euch zu kommen. |
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Flussbeschreibungen |
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Tour 1 Tour 2 Tour 3 Tour 4 Tour 5 Tour 6 Tour 7 Tour 8 Weitere empfehlenswerte Flüsse: Tour 9 Tour 10 |
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Allgemeine Informationen zum Paddeln in Albanien |
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Albanien hat 3,5 Millionen Einwohner und ist in etwa so groß wie das Bundesland Brandenburg. Über zwei Drittel des Landes sind Bergland, der höchste Berg (Korab) ist immerhin 2764 m hoch. Zu der schwierigen Geographie kommt hinzu, dass der Kommunismus (1944-1990) für den Ausbau der Infrastruktur des Landes nicht gerade hilfreich war. Die einzige Autobahn ist 20 km lang. Für den Paddler bedeutet das, dass er beim Autofahren viel Geduld mitbringen muss, denn auch kurze Strecken können sich ziehen wie Kaugummi. Gerechnet wird nicht in Kilometer sondern in Fahrstunden! Charakter Die Auswahl an verschiedenen Flüssen ist nicht eben riesengroß, dafür sind die Flüsse dann top. Im Süden überzeugen Wasserwucht und Anzahl der am Stück paddelbaren Kilometer, während im Norden eher Drop-Pool-Charakter wie aus dem Bilderbuch mit schneeweißen Felsen und türkisem Wasser angesagt ist. Beste Zeit April und Mai Ausrüstung Das Spielboot kann man getrost zu Hause lassen. Bei den oft langen Paddelstrecken empfiehlt sich ein Wildwasserboot, in dem man bequem sitzt und in dem man gegebenenfalls die Ausrüstung für eine Mehrtagestour (auf dem Osum) unterbringen kann. Eine umfangreiche Sicherheits- und Medizienausrüstung ist in den abgelegenen Gegenden unverzichtbar. Geld Albanien ist ein sehr preisgünstiges Reiseland.
Für 5 kann man schon ganz gut Essengehen, ein Laib Brot kostet ca. 30 Cent,
der Liter Diesel 0,76 und ein bewachter Parkplatz für 24 Stunden 1,50 . Anreise Mit dem eigenen PKW über Graz - Maribor -
Zagreb - Split - Dubrovnik - Tirana. Wenn man nicht gerade von der Tara und
der Moraca kommt, sollte man wegen des Straßenzustands nicht über
Podgorica/Shkodra, sondern über den südlicheren und kleineren Grenzübergang
Sukobin einreisen. Transport vor Ort Ein Auto mit viel Bodenfreiheit (und lauter Hupe!)
ist in Albanien ein Muss. Vorsicht beim Tanken: Der Sprit wird oft gestreckt. Möglichst
an Zapfsäulen mit Digitalanzeigen tanken. Sprache Mit Englisch kommt man im Allgemeinen nicht sehr
weit. Die Leute können eher noch Italienisch oder Deutsch. Übernachtung Ein großes Plus einer Albanienfahrt ist,
dass Wildzelten im Hinterland völlig problemlos möglich ist. Richtige Campingplätze
sind in Albanien ohnehin unbekannt. Essen Alles Nötige für die Selbstverpflegung
einzukaufen, ist in Albanien kein Problem. In den Städten gibt es tolle Märkte
mit frischen Sachen, und Läden finden sich auch auf dem Land immer wieder. Sicherheit Mit Blutsfehden hat man als Tourist nichts zu tun! Bewaffnete Überfälle sind in Albanien nicht üblich. Man kann sich nachts in Tirana stressfrei bewegen, wahrscheinlich ist es sicherer als zu Hause. Die größte Gefahr geht vom Straßenverkehr aus! Flussführer/Literatur Internet: |
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